Smart Farming und Bürokratie – Ein Balanceakt

Liebe/-r Landwirte/-in,

wir wissen alle, dass die Bürokratie in unserer Branche kein Zuckerschlecken ist. Dokumentationspflichten fressen nicht nur Zeit, sondern auch Nerven. Aber hier kommt die gute Nachricht: Smart Farming kann genau hier eine enorme Erleichterung verschaffen. Wie weit wir sind und was es dazu braucht, habe ich mir auf der Agritechnica angeschaut. Holt euch einen Kaffee, wir legen los!

Eindrücke von der Agritechnica

Für die Agritechnica habe ich mir mit der App erstmal einen Routen- und Standplan (die App wurde wirklich gut weiterentwickelt AGRITECHNICA-App – AGRITECHNICA)  zurechtgelegt und als ersten Stand kam gleich John Deere. Also hin da und ein wenig orientiert, wo das Thema Smart Farming zu finden ist. Und wie der Zufall es wollte, hat gerade ein Mitarbeiter von John Deere die durchaus coolen NIRS-Geräte erklärt und ihre Vorteile aufgezeigt. Leider konnte er mir dann nicht erklären, ob über das Operations-Center die NIRS-Daten direkt ins Futterprogramm eingespielt werden können. Auch ob eine Nährstoffentzugskarte durch die Ertrags- und Qualitätserfassung möglich ist und ob diese auch für die CC-relevante Dokumentation genutzt werden kann, blieb er mir schuldig. Genau hier sind wir beim eigentlichen Thema.

Die Problematik der Datenverarbeitung

Es gibt so viele Daten und Sensoren, die erfasst werden, trotzdem ist oft noch eine manuelle Weiterverarbeitung für Dokumentationszwecke notwendig. Oder ist es dir lieber, dass du nochmal die Daten „anfassen“ und weitergeben musst? Ich würde mich über eine “automatisierte” Verarbeitung freuen.

Gespräch mit einem Experten

Danach habe ich mich mit Johannes Lehmann (Head of Business Development Smart Farming bei DIN Deutsches Institut für Normung e. V.) über dieses Thema unterhalten. Er ist auch ein ausgewiesener Experte in diesem Bereich. Hier findest du sein LinkedIn-Profil. Ich habe ihn gefragt:

„Wie weit sind wir beim Thema Datenschnittstellen? Warum ist es nicht möglich, automatisch Daten, die von Maschinen erhoben werden, in mein Farmmanagement-Programm einzuspeisen? Das könnte doch über mein Handy und über eine Cloud gehen, oder nicht? 

Genauso sollte es sein, dass, wenn ich eine Wetterstation oder Bodensensoren habe, egal von welchem Hersteller, die Daten eingespeist werden und ich nicht eine extra App dafür brauche. 

Wenn ich zum Beispiel ein paar Bluetooth-Kopfhörer kaufe kann ich sie einfach und super schnell mit meinen Handyverbinden, genauso schnell klappt es ja auch mittlerweile bei Autos. (Ja, das war früher auch anders.)

Standardisierung als Herausforderung

Dieser Standard sollte eigentlich durch ISOBUS funktionieren und auch Daten sollten so aus den Terminals bzw. aus den Maschinen extrahierbar sein. Doch der Alltag sieht teilweise anders aus, man hat Fehler und fragt sich: „Warum jetzt wieder dieser Sch…?“ Ich denke, das ist aktuell die größte Baustelle, warum die Digitalisierung teilweise nur langsam umgesetzt wird. Aus meiner Sicht dachten die Maschinenhersteller bisher: „Wir sind nur für Sensoren und Kommunikation der Maschinen untereinander zuständig, für die Softwareauswertung und Nutzung das machen die Softwarefirmen wie z. B. Next Farming, Helmsoftware oder 365FarmNet.“

Veränderungen in der Branche

Aber ich denke, das ändert sich gerade, bei meiner Recherche zu diesem Artikel, hatte gerade der AGCO-Konzern NEXT-Farming Software gekauft und die Landtechnikhersteller verstehen, dass sie vom Anwender her denken müssen, wie es übrigens SoilDx Webapp (soildiagnostix.app) macht.

Das Hauptthema: Fehlende Standards im Smart Farming

Das Hauptthema ist aber noch, dass es keine ausreichenden Standards im Bereich Smart Farming (digitaler Landwirtschaft) gibt, und hier komme ich wieder auf Herrn Lehmann zurück. Er ist Mitglied in der ISO – International Organization for Standardization (Member of ISO Smart Farming Coordination Committee).

Das Mandat dieser Gruppe ist es:

• Kommunikation, Koordination und Informationsaustausch zwischen ISO-Komitees, die in der Standardisierung im Zusammenhang mit Smart Farming und datengesteuerten Agrarsystemen involviert sind, zu erleichtern.

• Fälle von Koordination, die unter verschiedenen ISO-Komitees für neue oder bestehende Projekte benötigt werden, zu identifizieren und Vorschläge zur internen Koordination bestehender ISO-Projekte, wie im SAG Smart Farming-Bericht präsentiert, zu erleichtern, um die Kohärenz der ISO-Standardisierungsarbeit in diesem Bereich zu gewährleisten.

Zukünftige Entwicklungen

Im ISO-Komitee sollen folgende Dinge besprochen und vereinheitlicht werden: Ontologie, Semantik, APIs.

Was genau das ist, lest ihr hier:

Ontologie, Semantik, API: Wie diese 3 Worte in der Landwirtschaft deinen ‚Apple-Moment‘ erschaffen können! (permarobotics.com)

Du fragst dich vielleicht, wie lange so ein ISO-Komitee dauert? Ca. 18-24 Monate, und es sind verschiedene Experten aus 40 Nationen daran beteiligt. Wenn man sich nicht einigen kann, dauert es noch länger.

Die Rolle des Staates

Was dazu kommt, ist, ob der Staat/Länder auch ihre Hausaufgaben machen. Ja, du musst jetzt wahrscheinlich schmunzeln, ich auch, und leider zeigt die Praxis, dass in den Behörden der Sachverstand vielleicht ausbaufähig ist. Die Frage ist, liegt es an der Behörde und ihren Vergabekriterien oder liegt es an den Firmen, die die Software für die Behörde umgesetzt haben? Das kann ich nicht beurteilen, wichtig wäre es aber, dass der Agrarantrag ähnlich wie bei der HIT-Datenbank läuft. Man muss sich auf eine zentrale Lösung einigen und nicht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kochen.

Ausblick auf Entbürokratisierung

Sollten diese Dinge umgesetzt werden, gibt es wirklich Hoffnung auf Entbürokratisierung und weniger Dokumentationsaufwand. Bis dahin bleibt mir nur zu sagen: Haltet durch und lasst eure Daten, die ihr erhebt, nicht zu Geiseln in Datensilos werden. Nur ein offener Standard, ähnlich der Android-Konstruktion, hilft dabei, dass du weniger bürokratischen Aufwand hast.

Fröhliches Farmen und bis bald!

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